Interview: Florian Westermann

Reisenden über die Schulter zu gucken ist immer wieder etwas spannendes. In diesem Interview darf ich den Fotografen Florian Westermann einige Fragen stellen. Mit diesem Interview bekommst du einen kleinen Einblick in das Leben eines Künstlers.

Florian veröffentlicht regelmäßig Bilder auf seiner Website: westermann-photography.com und phototravellers.de. Ein Blick in seine Galerien lohnt sich auf jeden Fall!

Florian, kannst du dich kurz meinen Lesern vorstellen

Ich bin ein echtes Großstadtkind – ich brauche den Lärm, die Hektik, sonst fehlt mir was. Ich bin es auch nicht anders gewohnt, schließlich bin ich im Berliner Arbeiterkiez Moabit aufgewachsen. Aber ich liebe auch die Natur. Tagelang draußen zu sein, die Nacht unter freiem Sternenhimmel zu verbringen, weit und breit keinen Menschen zu sehen – das ist für mich der perfekte Ausgleich. Seit Anfang 2014 lebe und arbeite ich in München. Hier geht alles etwas ruhiger zu – für mich fast einen Ticken zu ruhig. Aber das macht nichts, dafür habe ich jetzt die Berge direkt vor der Haustüre. Bei schönem Wetter bin ich garantiert auf irgendeinem Gipfel anzutreffen.

Du vereist viel und machst wunderschöne Bilder – wie bist du darauf gekommen?

Das wurde mir von klein auf in die Wiege gelegt. Schon im Teenie-Alter bin ich viel in der Welt umher gekommen, das prägt natürlich. Mein Interesse an anderen Kulturen hängt aber auch mit meiner Heimatstadt zusammen. Schon im Grundschulalter, in den 80er Jahren, war Berlin völlig anders als der Rest der Republik. Die Stadt war damals schon multikulti, meine besten Freunde kamen aus Slowenien, Argentinien, dem Irak, Afrika. Das macht natürlich neugierig auf die Welt da draußen.

Ähnlich verhält es sich mit der Fotografie. In unserer kleinen Wohnung in Berlin hatten meine Eltern in der Küche eine kleine Dunkelkammer eingerichtet. Damals entwickelten wir Schwarzweiß-Filme unserer Reisen noch zuhause. Diese Leidenschaft ist bis heute geblieben.

Verdienst du damit auch Geld? Kannst du davon leben?

Die Kunst, von der Kunst zu leben – das habe ich noch nicht geschafft. Ich bin zum Glück in der komfortablen Situation, dass ich nicht auf das Geld aus den Verkäufen meiner Bilder angewiesen bin, weil ich noch als Journalist arbeite.

Meine Werke wurden zwar schon auf großen Ausstellungen in Berlin und München gezeigt und haben es bis in die Süddeutsche Zeitung geschafft. Als Künstler mit großem Namen reißen die Leute dir deine Werke aus der Hand, ob ihnen die Arbeit gefällt oder nicht. Aber gerade als junger Künstler hat man keinen leichten Stand.
Vielen sind meine Bilder auch schlicht zu teuer. Oftmals sehen die Leute aber gar nicht, welcher Aufwand dahinter steckt. Es ist ja nicht nur das Reisen, die Strapazen, die teure Ausrüstung. Die Werke müssen aufwändig produziert, die Ausstellungen konzipiert, Bilder transportiert, aufgehangen, abgehangen, am Ende wieder abtransportiert und eingelagert werden. Für meine Ausstellung im vergangenen Herbst in Berlin etwa haben wir zwei volle Tage – jeweils rund 14 Stunden – gebraucht, die Werke zu hängen und abzuhängen. Hinzu kommen unzählige Stunden für Werbung, Imagepflege, Kontakte. Wenn man das alles berücksichtigt, bleibt unter dem Strich nicht viel übrig. Auf die Stunde umgerechnet würden die meisten dafür keinen Finger krumm machen. Für mich ist das ganze aber eine Passion, daher stört mich das nicht. Außerdem hängt unsere Wohnung voll mit meinen Bildern. Ich kann mich in den Fotos stundenlang verlieren – wenn das alleine nicht den ganzen Aufwand rechtfertigt, was dann?

Welche drei Orten waren bisher die schönsten? Warum?

Das zu beantworten ist nicht einfach, ich würde am liebsten hunderte nennen. Jeder Ort ist anders und für sich genommen einzigartig. Aber gut, ich versuche es.

Ein Ort, der mich wirklich zutiefst beeindruckt, ist Hunts Mesa im Monument Valley im Südwesten der USA. Von hier oben genießt man einen unbeschreiblichen Blick auf das Valley, das ja ohnehin nur schwer zu übertreffen ist. Direkt an der Steilkante zu stehen, weit und breit keinen Menschen zu sehen, kein Geräusch zu hören – das hinterlässt einen bleibenden Eindruck, den man nie mehr vergisst. Alleine die Anfahrt durch die Wüste ist ein Abenteuer. Mit einem normalen Miet-SUV hat man keinerlei Chance, hier braucht es einen echten Geländewagen mit Vierradantrieb, hochgelegter Karosserie und mit dicken Geländereifen. Fahren darf man aber leider nicht selbst. Das Monument Valley ist ja ein Reservat der Navajo Indianer – ein Guide ist zwingend vorgeschrieben. Für alle, die meinen im Südwesten der USA schon alles zu kennen: Hunts Mesa haben noch nicht viele Menschen gesehen. Ich kann es nur jedem ans Herz legen.

Nicht weniger beeindruckend ist die Wave. Die Wave – ein farbenprächtiges Sandsteingebilde mitten in der Wüste Arizonas – ist schon ein unglaubliches Stück Natur. Aber es ist nicht nur die Wave, das gesamte Gebiet drumherum sieht aus, als hätte jemand zu viel Farbe und Kuchenteig in eine Rührschüssel gegeben und ordentlich geknetet. Eigentlich schwer vorstellbar, dass das alles die Natur erschaffen hat. Der Zugang zu diesem einmaligen Naturwunder ist zum Glück streng reglementiert. Ich selbst musste jahrelang warten, um endlich eines der wenigen Permits zu ergattern. 2014 war es endlich soweit.

Überwältigt war ich auch auf unserer jüngsten Reise auf die Lofoten, einer Inselgruppe im Norden Norwegens. Hier einen speziellen Ort herauszupicken ist eigentlich nicht möglich, die Landschaft insgesamt ist unbeschreiblich. Man nehme die Alpen und versetzte sie ins Meer – das Resultat ist eine Kulisse wie die Lofoten. Steile Felswände ragen direkt aus dem Meer, tiefe Fjorde durchziehen die Landschaft, spitze Berggipfel, wohin das Auge reicht. Wer im Winter soweit im Norden Europas ist, hat vielleicht sogar das Glück, Polarlichter zu sehen. Das ist dann das i-Tüpfelchen. Ich habe sie gesehen.

Vielen Dank, für das Interview!

Über den Autor

Samuel J. Schneider - kreativer Konzeptionist, ernährt sich grundsätzlich vegetarisch und haltet sich gern in den Bergen auf.

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